(Quelle: Hanns-Peter Wiese)
"Die Prozessautomatisierung (engl. Business Process Automation „BPA“) ist die Strategie eines Unternehmens, Prozesse zu automatisieren, um Kosten einzudämmen." Diese Definition von Wikipedia muss m.E. in der heutigen digitalen Welt über die reine Kosteneinsparung hinaus erweitert werden, um auch Prozesse abbilden zu können, die darauf abzielen, z.B. neue Kunden zu gewinnen oder Umsätze zu steigern. In nicht allzu ferner Zukunft wird der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) die Automatisierung von Arbeitsabläufen unter beiden Zielsetzungen bis zu dem Punkt ermöglichen, an dem menschliches Eingreifen überflüssig wird – entweder ganz oder teilweise.
Aber (noch?) ist nicht jeder Geschäftsprozess für die Automatisierung geeignet. Daher ist es für jedes Unternehmen wichtig zu prüfen, welche Prozesse dafür geeignet sind , welche nicht, und welche am besten weiterhin durch menschliche Arbeitskraft erledigt werden. Natürlich wurden Routinetätigkeiten, die vorhersehbar und beherrschbar waren, wie z. B. Montagearbeiten in der Fertigung, als erste automatisiert. Aber auch manuelle Tätigkeiten, die besonders riskant oder verletzungsgefährdet sind, werden zunehmend Robotern überlassen, wie zum Beispiel in der Entsorgung radioaktiver Abfälle. Gleichzeitig beginnen Unternehmen aber auch mittels des Internets der Dinge (IoT), ihre Automatisierung- und After-Sales-Services durch sensorbasierte Tracking- und Warnmeldesysteme voranzutreiben. Aber auch komplexere Prozesse, wie die Kreditvergabe im Bankwesen sind - zumindest für einige standardisierte Produkte - seit kurzem maschinell durchführbar. Weitere Beispiele sind Dokumentenmanagementsysteme, die ein durchgängiges papierloses Büro ermöglichen, oder automatisierte Datenbankrecherchen, die sowohl traditionelle Belege als auch große Datenmengen verarbeiten können. Aber jedes Unternehmen sollte es sich sehr genau überlegen, bevor es mit der Automatisierung seiner kundenorientierten Prozesse beginnt. Nicht jeder Kunde wird z. B. die Kommunikation mit komplizierten Chat-Bots und verästelten Telefonbäumen schätzen, wo schlimmstenfalls sogar am Ende automatisch aufgelegt wird. Sprach- und optische Automatisierungssysteme sind noch nicht so weit, dass sie alle Situationen meistern können.
Immer mehr Spezialunternehmen kommen auf den Markt und bieten BPA-Lösungen auf der Basis von KI-Technologien an, die mit großen Datenmengen und unstrukturierten Datensätzen arbeiten, mit Menschen interagieren und sich im Selbstlernmodus neuen Problemstellungen anpassen können. Mit Ausnahme von arago behaupten die meisten der deutschen BPA-Anbieter, wie Sota Solutions, 5Analytics, N-Join, KONUX oder Micropsi Industries nicht von sich, sog. allgemeine oder menschliche Intelligenz zu entwickeln, geschweige denn Super-Künstliche Intelligenz, sondern sog. begrenzte oder schwache KI. Diese konzentriert sich auf die Lösung einzelner Aufgaben im Gegensatz zur allgemeinen KI, die in der Lage ist, die in einem Bereich gesammelten Erfahrungen auf eine andere Reihe von Problemen zu übertragen und anzuwenden, so wie es der Mensch tun würde. Der Ansatz dieser Anbieter ähnelt sich jedoch dergestalt, dass sie versuchen, den kürzesten Weg zur Automatisierung zu finden, indem sie die Ebene der Benutzerschnittstellen nutzen, statt tief in den Anwendungscode oder die dahinter liegenden Datenbanken einzudringen. Sie vereinfachen auch ihre eigene Schnittstellen soweit, dass diese Tools direkt von nicht technisch qualifiziertem Personal angewendet werden können. Der Hauptvorteil dieser Toolsets liegt daher in der Schnelligkeit der Bereitstellung, der Nachteil hingegen ist, dass die Unternehmen mit einem weiteren IT-Anbieter konfrontiert sind.
In einem Interview am 28. Juli 2017, fragte ich Stefan Söhnle, Mitbegründer und Operations Director der 5analytics UG aus Stuttgart, nach dem Ansatz seiner Firma und welchen Lösungsbeitrag sie liefern kann? 5Analytics, gegründet im Frühjahr 2016, konzentriert sich auf die Integration von KI in Geschäftsprozesse, d. h. um die „Operationalisierung von Algorithmen", wie er es nennt. Diese ermöglicht es Algorithmen, komplexe Datenzusammenhänge zu erkennen und neue Entscheidungsgrundlagen zu liefern. Aber was ist daran eigentlich neu oder künstlich Intelligent? Ein einfaches Beispiel aus der Automobilindustrie, bzw. der Reparatur und Wartung, verdeutlicht das. Die ersten Autos fuhren solange bis es nicht mehr ging, z. B. weil der Motor nicht mehr lief oder ein Reifen platt war (keine Regeln), dann wurden feste Inspektionsintervalle eingeführt, d. h. nun mussten die Wagen alle 10.000 km zur Inspektion (feste Regeln). Die künstliche Intelligenz erlaubt jetzt die Möglichkeit der Individualisierung und Flexibilität, indem jedes einzelne Fahrzeug lückenlos überwacht werden kann und seine gesammelten Daten für vorausschauende Wartung genutzt werden können, die Maßnahmen auslöst, die wiederum ganz oder teilweise automatisiert sein können oder an denen menschliche Arbeitskräfte beteiligt sind. Ein anderes Beispiel: Ein Online-Shopper, der sein erstes Harry Potter-Buch kauft, kauft wahrscheinlich auch die Folgebände. Ihm empfiehlt automatisch eine sog. Empfehlungsmaschine -basierend auf Datenanalyse Tausender anderer Kunden - auf seinem Computerbildschirm: „Andere Kunden haben auch bestellt ... Harry Potter Bände 2-7 oder ähnliche Fantasy-Romane x, y, z." 5Analytics hat sich nicht darauf spezialisiert, die beeinflussenden Parameter zu identifizieren und in Algorithmen zu übersetzen, obwohl sie dies als Beratungsdienstleistung für Kunden ohne eigene KI-Expertise anbietet, sondern darauf, all diese Algorithmen praktisch im täglichen Betrieb zum Einsatz zu bringen und vor allem Umsätze daraus zu generieren!
Laut Stefan Söhnle ist die Ansprache mittelständischer Kunden relativ einfach, da KI und IoT aktuelle Themen sind. Zu erklären, was 5analytics hingegen in der Realität tut und wie das Produktangebot dazu beitragen könnte, Kosten zu senken und/oder in der Praxis mehr Umsatz zu generieren, benötigt dagegen mehr Zeit. Nach der Auftragsvergabe sind eher wieder herkömmliche Aufgabenstellungen zu bewältigen, wie z. B. die der Überprüfung, wie der Algorithmus ausschauen muss, wie Datenzugriff, Datenerfassung und –speicherung sichergestellt werden, wie Datenverbindungen zu intergieren sind usw. . ... und 5analytics ist stolz darauf, dass am Ende alles gleichzeitig, mit vielen Parametern und Anwendern und vor allem in Echtzeit funktioniert.
Je nach Kundenbedürfnis bietet 5Analytics seinen Kunden mit der KI-Plattform ADA eine Reihe von Lösungen für spezifische Arbeitsabläufe in den Bereichen Produktion, prädiktive Instandhaltung sowie Vertrieb & Marketing. Zu Letzteren gehören beispielsweise ein dynamisches Preissystem sowie Kundenverhaltensmodelle für Cross- und Up-Selling oder zur Steigerung der Kundenbindung.
Kunden können 5Analytics Plattform mit Standardschnittstellen für die meisten der gängigen Systeme kaufen oder mieten. Nach Aussage der Firma ist die Plattform hoch skalierbar und problemlos in bestehende Systemlandschaften integrierbar sowie basierend auf bestehenden R- oder Python-Skripten.
Auch wenn sich der Wettbewerb im BPA- und KI-Markt in den kommenden Jahren voraussichtlich weiter verschärfen wird, ist die internationale und deutsche Wettbewerbslandschaft heute noch so fragmentiert, dass viele Software- und Hardware-Unternehmen genügend Potential haben, weiter zu wachsen und Erfolg zu haben. Wie erfolgreich und intelligent sie sein werden, bleibt abzuwarten, aber Stefan Söhnle ist davon überzeugt, dass zumindest die (begrenzte) KI in zwanzig Jahren mindestens genauso weit verbreitet sein wird wie heute die Smartphones.