Ralf Wiedemann, Vorstandsvorsitzender des ZIG (Quelle: OWL/Krato)
Wie sieht im Jahr 2030 die Gesundheitsversorgung in ländlichen Regionen aus? Wie kann die Gesundheitsarbeit in Medizin und Pflege durch digitale Technik unterstützt werden? Diese Fragen diskutierten über 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer beim 18. OWL Forum Gesundheitswirtschaft.
Die Vorträge der 40 Expertinnen und Experten aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft sowie aus Medizin und Pflege machten deutlich, dass die Gesundheitsregion Ostwestfalen-Lippe sich mit seinem Gesundheitsnetzwerk als Innovationsplattform für innovative Versorgungsmodelle und die Erprobung digitaler Lösungen im Gesundheitswesen etabliert hat.
Ärztezentren, Telemedizin und E-Health seien Beispiele für die Versorgungsgestaltung im ländlichen Raum, so Alexander Morton von der Kölner BDO Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Aus seiner Sicht überwiegen die Chancen der Digitalisierung: „Die digitale Vernetzung fördert den Strukturwandel!“, und der sinnvolle Einsatz der Technik könne helfen, die medizinischen Versorgungsstrukturen in Zukunft auf dem Land zu sichern, so Morton.
Auch Landarzt Dr. Rembert Müller aus Barntrup bestätigt den Handlungsbedarf. Er sieht schon heute beim hausärztlichen Nachwuchs spürbare Engpässe auf dem Land. Es gebe aber nicht nur Ärztemangel, auch in der ambulanten Pflege beobachte er einen zunehmen Mangel an Fachkräften.
Müller berichtete von Patienten, die aufgrund ihres Alters und ihrer Erkrankung zunehmend Schwierigkeiten hätten, in die Arztpraxis zu kommen. Hier seien auch neue Ideen für Mobilität im Gesundheitswesen gefragt.
Einig waren sich die Experten der Podiumsdiskussion darin, dass bei den digitalen Innovationen in Zukunft noch stärker auf die Bedürfnisse der Patienten geachtet werden müsse. Außerdem dürfe Technik nicht den Menschen ersetzen, so Dietmar Erdmeier, Bereichsleiter Gesundheitspolitik beim Bundesvorstand von ver.di, Berlin. Er forderte, Technik müsse gerade in der Pflege helfen, die Arbeitsbelastung zu mindern und die Pflegenden zu unterstützen. Das sah auch Dr. Georg Rüter, Vorstandsvorsitzender des Zweckverbands freigemeinnütziger Krankenhäuser Münsterland und Ostwestfalen so und betonte zugleich mit Seitenblick auf die Politik, dass Innovationen in den Krankenhäusern auch auskömmlich finanziert sein müssten.
Workshops zur Veranschaulichung
Wie die Gesundheitsregion OWL den Herausforderungen begegnen kann und welche digitalen Lösungen bereits praktisch erprobt werden, das konnten die Teilnehmer der Veranstaltung in den sieben Workshops erfahren. Am Beispiel der Pflege-Datenbrille wurde deutlich, wie digitale Technik die Pflegenden unterstützen kann. Die Datenbrille erweitert die Arbeitsumgebung, indem Patientendaten direkt auf der Brille dargestellt werden. Diese „Augmented Reality“ stärkt die Pflegekompetenz und unterstützt die Pflegekräfte durch zusätzliche Informationen. Bereits auf dem Markt etabliert ist die Personalplanung über das eigene Smartphone der Beschäftigten. Das Tool wird unter dem Motto „Selbsteinplanung“ bereits von zahlreichen Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern in den Niederlanden eingesetzt, um das Kapazitätsmanagement zu verbessern. „Richtig eingesetzt, kann mit der Selbsteinplanung die Mitarbeiterbeteiligung und die Zusammenarbeit im Team gestärkt werden“, so Willem Jan-Verhoef, Direktor von ORTEC Healthcare aus Holland. Dass solche Lösungen auf wachsendes Interesse bei Pflegekräften stoßen, zeigten auch aktuelle Ergebnisse einer Studie des Institutes Arbeit und Technik zur Digitalisierung in deutschen Krankenhäusern.
Neue Versorgungsansätze mit digitaler Kommunikation entstehen auch in sensiblen Bereichen der Psychiatrie und Psychotherapie, wie dass junge Start-Up „Selfapy“ aus Berlin zeigt. Gründerin Farina Schurzfeld präsentierte das Online-Therapieprogramm, das durch Psychologen begleitet wird. Studien mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und der Charité in Berlin zeigten die Wirksamkeit des Onlineangebotes, so Schurzfeld. Eine digitale Kontaktaufnahme mit Therapeuten ist ebenfalls mit dem Online-Programm „Radius“ möglich, das am Evangelischen Klinikum Bethel (EvKB) in Bielefeld praktisch erprobt wird. Suchterkrankte werden mit dem Programm in der Nachbehandlung darin unterstützt, ein abstinentes Leben zu führen: „Die Digitalisierung bietet uns ganz neue Möglichkeiten in der patientenorientierten Gestaltung von Versorgungsprozessen“, so Martina Bertino, Psychologin am Evangelischem Klinikum Bethel.
Die Begleitausstellung mit 18 Unternehmen und Hochschulpartnern aus den Bereichen Pflege, Versorgung und Prävention zeigte technische Lösungen, die bereits heute praxisreif sind. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung konnten beispielsweise beim Ergometerhersteller Kettler testen, wie sie auf dem Fahrrad ihre Gesundheit stärken und gleichzeitig durch virtuelle Landschaften fuhren. Die richtige Art zu gehen konnte man mit Hilfe einer Smartphone-App der Hochschule Ostwestfalen-Lippe analysieren. Mit dem 18. Forum Gesundheitswirtschaft konnten die Veranstalter erneut zeigen, dass die Region OWL zu den innovativsten Innovationsstandorten der Gesundheitswirtschaft in Deutschland zählt.