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Die Digitalisierung ist ein Megatrend der fast alle Bereiche unseres Lebens erfasst hat und immer noch neue Entwicklungen bereithält. Davon betroffen sind auch die lange vorherrschenden Strukturen im Automobilhandel, die digitale Revolution könnte diesen alten Vertriebsweg aufsprengen. Mit der zunehmenden Verlagerung des Automobilverkaufs ins Internet werden sich die Beziehungen zwischen Herstellern und Händlern verändern. Klar ist auch, dass nicht alle Händler den Sprung in die digitale Welt schaffen und neue Player auf dem Markt erscheinen werden. 

Kürzlich erschien eine Studie des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) im Auftrag der Sachverständigenorganisation DEKRA, die zu dem Ergebnis kommt, dass die Zahl der selbständigen Automobilhändler in den nächsten Jahren deutlich zurückgehen wird. Damit einhergehend sei ein Bedeutungsverlust des Automobilhandels als Schnittstelle zwischen Hersteller und dem Endkunden. Nach Einschätzung der IFA-Experten wird der Hersteller immer häufiger direkt mit den Kunden in Kontakt treten.

Andere Studien sehen die Entwicklungen nicht ganz so dunkel für den Autohandel. So informieren sich Autokäufer zwar zunehmend im Internet, 82 Prozent wollen aber auf die Probefahrt und damit den Besuch beim Händler vor der finalen Kaufentscheidung nicht verzichten (Siehe Grafik). Wie eine aktuelle Branchenstudie mit dem Titel Innovating Automotive Retail der Unternehmensberatung McKinsey & Company herausfand.

Doch die Möglichkeit einer Probefahrt wird die Händler alleine nicht retten können. Sie müssen auf die Veränderungen reagieren. Dies sieht auch Detlev Mohr, europaweiter Leiter der Automobilberatung bei McKinsey, so: „Der Markt wird sich auseinanderentwickeln: Händler, die Investitionen in neue Formate stemmen können, werden sich von den anderen deutlich absetzen.“ Mehr als 80 Prozent der Neuwagenkäufer und fast 100 Prozent der Gebrauchtwagenkäufer beginnen ihre Überlegungen zum Kauf eines Fahrzeuges online, wie McKinsey herausfand. „Der Händler verliert in der Anfangsphase die Informationshoheit über das Produkt“, so Mohr. Daher ist es für Händler sinnvoll, ihre eigenen Online-Aktivitäten (Websites, Blogs, Foren) besser mit den Angeboten im Laden zu verzahnen. Mohr: „Während der Kunde früher fünf Mal ins Autohaus kam, bevor er sich für ein Fahrzeug entschied, ist es heute oftmals nur noch ein Besuch.“

Dabei zeigen sich, laut der McKinsey-Studie,  große Differenzen zwischen den Altersgruppen: Vor allem junge Autokäufer zwischen 18 und 34 beginnen ihre Recherche beim Autokauf online – bei den über 55-jährigen ist der Händler nach wie vor die wichtigste Informationsquelle, das Internet folgt jedoch schon auf dem zweiten Platz. Das Internet als Informationsquelle sorgt auch dafür, dass die Kunden sehr viel besser informiert zu den Händlern kommen. Dennoch macht es für 41 Prozent der Befragten einen wesentlichen Unterschied, ob der Verkäufer Erfahrung mit dem gesuchten Auto hat. 29 Prozent nennen die Information über die Lieferbarkeit als wichtigsten Grund für den Besuch im Autohaus statt sich nur online zu informieren.

Die Zahlen der Studie machen eines deutlich: Die Suche nach dem passenden Auto beginnt für immer mehr Menschen nicht mehr beim Autohändler um die Ecke sondern im Internet. Daher werden die Websites der Automobilhersteller und unabhängiger Autobörsen immer häufiger den Erstkontakt zu den Kaufinteressenten haben. Der Automobilhandel wird daher in eine zunehmend stärkere Abhängigkeit von Online-Plattformen geraten: „Im Gebrauchtwagengeschäft hat der traditionelle Automobilhandel bereits heute die Kundenschnittstelle verloren“, urteilt der wissenschaftliche Leiter der Studie, IFA-Direktor Professor Dr. Willi Diez. „Kein Händler kann es sich heute mehr leisten, seine Gebrauchtwagen nicht bei einer der großen Autobörsen anzubieten. Diese Entwicklung wird auch bei den Neuwagenverkäufen in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen.“

Der Befund ist eindeutig: Der Erstkontakt zwischen Kunde und Produkt findet im Internet statt und immer mehr Menschen sind auch bereit das Fahrzeug online zu kaufen. Beide Trends richten sich gegen den klassischen Automobilhandel. Was können die Autohändler also tun damit das Neuwagengeschäft nicht zu unabhängigen Online-Plattformen abwandert? Ein Weg ist sicherlich ebenfalls das Online-Angebot auszubauen. Integration der Händler in den digitalen Verkaufsprozess der Hersteller, verstärkter Einsatz digitaler Medien in den Verkaufsräumen und nichts zuletzt ein fließender Übergang zwischen der digitalen und der persönlichen Beratung sind Ansatzpunkte für den Veränderungsprozess. Vorreiterrolle beim Onlinevertrieb ist derzeit Tesla. Die Elektrofahrzeuge des amerikanischen Herstellers müssen online gekauft werden, selbst wenn man in einem Tesla-Shop ist wird die Bestellung digital durchgeführt.

Doch bislang sieht die Realität etwas anders aus. Denn auf Basis einer Händlerbefragung haben die IFA-Experten erhebliche Digitalisierungs-Defizite im Automobilhandel festgestellt. So setzt kaum jemand auf die gängigen digitalen Medien im Verkauf und im After-Sales-Bereich. „Die Herausforderung für den Handel liegt nicht nur darin, dass er in den nächsten Jahren erheblich in die digitale Ausstattung der Autohäuser investieren muss. Er muss vielmehr auch seine Verkaufsprozesse umstellen und die Mitarbeiter digital qualifizieren“, gibt Professor Diez zu bedenken. Das Autohaus müsse zum „Digital Store“ werden. Vor allem kleinere Autohäuser seien damit überfordert und laufen Gefahr den digitalen Wandel zu verpassen.

Die IFA-Studie geht davon aus, dass die Automobilhersteller ihre Handelsnetze in den nächsten Jahren weiter ausdünnen und vorrangig mit großen Handelsgruppen zusammenarbeiten werden. Da Information und Beratung immer häufiger online stattfindet, werde auch die Zahl der Verkaufshäuser selbst zurückgehen. Andererseits würden andere stationäre Formate wie City Stores als Kundenkontaktpunkte weiter an Bedeutung gewinnen. Das IFA-Institut rechnet damit, dass die Zahl der Vertragshändler in Deutschland von 6.900 im Jahr 2016 auf 4.500 im Jahr 2020 sinken wird. 

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