Home > Mobilität > Wollen Autofahrer noch fahren?

Fahrer wollen im Auto etwas anderen machen als fahren, zum Beispiel Musik hören, arbeiten oder einen Film gucken, davon geht zumindest Elmar Frickenstein, Bereichsleiter Vollautomatisiertes Fahren, Fahrerassistenzbeider BMW Group, aus. Er eröffnete mit vielen anderen Persönlichkeiten der Automobilindustrie den diesjährigen internationalen VDI-Kongress ELIV („ELectronic In Vehicles“). Dieser konnte in seinem neuen Standort Bonn sogar einen Besucherrekord von mehr als 1.700 Teilnehmern und 145 Fachausstellern aufzeigen. In über 70 Plenar- und Fachvorträgen diskutierten Elektronikexperten über neueste Entwicklungen. Highlights waren in diesem Jahr die Austellungsneuheiten zu den Megatrends wie autonomes Fahren, Vernetzung, IT Security und E-Mobilität. Die Kombination aus Internationalität, großer Themenvielfalt und der neuen Location des World Conference Centers Bonn (WCCB) bot viel Raum zum Austausch und Networking.

 

Neu auf dem Kongress war auch die interaktive Beteiligung der Gäste. Die Teilnehmer vor Ort wurden zu Beginn der Konferenz dazu aufgerufen, per App darüber abzustimmen, was ihrer Ansicht nach, die wichtigsten Themen und Herausforderungen der Branche sind. Das Ergebnis wurde in Echtzeit als TED (Teledialog) auf die Videowände übertragen und gleich diskutiert. Ein Ergebnis war dabei laut des Veranstalters besonders überraschend: Das autonome Fahren (69%) ist zwar nach wie vor eine wichtigsten bevorstehenden Aufgaben, aber immer mehr rückt das Thema Cyber Security in den Mittelpunkt. Eine klare Mehrheit (57%) glaubt, dass es ebenfalls die größte Herausforderung in den kommenden fünf Jahren sein wird. Denn die Frage, was mit den gesammelten Daten der Fahrzeuge passiert ist noch unklar. Wem gehören die Daten, welche durch Telematik, durch eine künftige Cloud oder auf dem Smartphone durch die Vernetzung gespeichert werden? Und was ist, wenn damit jemand sein Unwesen treibt, weil diese Daten nicht gut genug gesichert sind? Immerhin gibt es in einem Auto künftig über 20 Angriffspunkte, die ein Hacker einsehen oder manipulieren könnte.

 

Häufig kommt auch die Frage auf, wann das Fahrzeug mehrheitlich die Funktionen des Fahrers übernehmen wird. Die Anwesenden stimmten mehrheitlich dafür, dass dies zwischen 2025 und 2030 der Fall sein könnte. Im Jahr 2030 schließlich soll das Elektroauto den Verbrennungsmotor überholt haben.

 

Und nicht nur bei den anfänglichen Umfragen, sondern auch bei der Eröffnungsveranstaltung, den Vorträgen und den Ausstellern kamen neue Trends zum Vorschein.

 

Das Thema künstliche Intelligenz zieht sich dabei wie ein roter Faden durch fast alle Themen-bzw. Trendfelder. Dabei soll die Schnittstelle zwischen Maschine und Mensch komplett verschwinden, weil wir noch erleben und nicht kaum noch handeln werden. Die Verantwortung könnte irgendwann in die Cloud gehen, sich bei der Vernetzung mit anderen Fahrzeugen wiederfinden oder einem anderem Algorithmus, der uns das Autofahren erleichtern oder doch erschweren soll? Was lenkt und ab und was nicht? Ist das noch wichtig, wenn das Fahren bald nicht mehr unsere Aufgaben ist?

 

Wichtig bei dem Fortschritt der Automobilindustrie sei vor allem, Kollaboration, neue Geschäftsmodelle, eine neue besondere Serviceorientierung sowie Expertise und Kompetenz.

 

Die zwei Tage zeigten, wie der Trend zur intelligenten, vernetzten und nachhaltigen Mobilität sich weiter beschleunigt: Wie sich Automobilhersteller hin zu Mobilitätsdienstleistern wandeln, wie im Internet der Dinge Millionen von Fahrzeugen Schwarmintelligenz entwickeln können und welche Schritte notwendig sind, um Elektrofahrzeuge zur akzeptierten Normalität werden zu lassen.

 

Das automatisierte Fahren sei die größte Veränderung dieses Jahrhunderts in der Automobilindustrie, da sie Mobilität effizienter und sicherer machen kann. Die Grenzen zwischen Mensch und Maschine werden neu definiert. Die notwendigen Schlüsseltechnologien im Bereich robuste Sensorik, künstliche Intelligenz, energieeffiziente Rechner und hochgenaue Karten sind zentrale Enabler dafür. Technologisch ist die Branche beim automatisierten Fahren rasch und glaubwürdig fortgeschritten. Einerseits werden Grenzbereiche der vollen Automatisierung  im hochkomplexen Stadtverkehr mit Entwicklungsfahrzeugen getestet. Anderseits werden ausgereifte Fahrzeuge, bei denen Gas, Lenkung und Bremse auf der Autobahn unter der Überwachung des Fahrers vollständig vom Hochleistungsrechner übernommen werden, heute schon an Kunden ausgeliefert. Eine der Schlüsseltechnologien für das automatisierte Fahren sei die künstliche Intelligenz (KI). Diese wird an Hochleistungsrechenzentren trainiert und auf energieeffizienten Rechnern im Fahrzeug ausgeführt. Auch in der Cloud wird die KI aus den Daten der Fahrzeugsensoren Muster erkennen, die das Fahren für alle sicherer und effizienter machen.Um in diesem entwicklungsintensiven Bereich erfolgreich zu sein, sind trotz des scharfen Innovationswettbewerbs Kooperationen und Partnerschaften entscheidend. Eventuell auch solche, die auch über die deutschen Grenzen erfolgen, da die USA und China bei diesem Thema ebenfalls schnell unterwegs sind und ihre Forschungen vorantreiben. Anhand von verschiedenen Vorträgen konnte man diese Länder und Kontinent übergreifende Zusammenarbeit beobachten und Teil dessen werden, in welchen Projekten bereits ein solcher globaler Zusammenhalt besteht.

 

Dies konnte man auch in dem Bereich „Smart & Connected Car“ beobachten.

Diese neue Anbindung der Fahrzeuge an das Internet wird eine Vielzahl neuer Funktionen möglich machen, indem Sensordaten hoch in die Cloud und relevante Informationen heruntergeladen werden. Immer zeitgenauer und präziser werden Mensch und Maschine durch „Location-Based Services“ über die Route informiert. Unfälle werden über erkannte, gelernte und kommunizierte Gefahrenstellen vermieden. Realistische und präzise Parkinformation verringern die Luftbelastung in Städten und Routen sollen multimodal geplant werden, also vom rechtzeitigen Aufstehen bis zum Arbeitsplatz. Neben zahlreichen technischen Herausforderungen sind Security und Privacy Schlüsselfaktoren für die erfolgreiche Einführung vernetzter Fahrzeuge wichtig. Die nachhaltige Kundenakzeptanz der Connected Car Features verlangt höchste Maßstäbe an die garantierte „Privacy“ der genutzten Daten. Fahrzeughersteller wiederum verlangen höchste Anforderungen an die Security, also die Robustheit gegen Hackerangriffe. Hard- und Software-Technologien und Fahrzeugarchitekturen stehen hier genauso im Fokus wie gemeinsame Wertmaßstäbe im Umgang mit Kundendaten. Auch im Bereich des Smart & Connected Car spielt künstliche Intelligenz eine entscheidende Rolle. Die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine wird damit natürlicher und persönlicher, gerade im sprachlichen Bereich. Digitale Services sollen treffsicher werden und antizipieren den Kundenwunsch. Methoden der künstlichen Intelligenz werden auch für ein intelligentes Datenhandling wichtig: Denn von den ungeheuren Datenmengen, die ein Fahrzeug produziert, muss immer noch der relevante Bruchteil herausgefiltert werden.

 

Funktechnisch macht sich die Branche zum Wegbereiter von der nächsten Generation des Mobilfunks: „5G“ steht vor der Tür, um die sichere, hochverfügbare Kommunikation als Fundament des Connected Cars zu bilden. Dabei gelangt das viel diskutierte Thema „W-lan für alle“ in den Hintergrund. Allerdings muss man auch hier sagen, dass die USA auch hier den Deutschen weit voraus sind. In Deutschland wird es 5G zunächst in großen Ballungsräumen geben wie es im Moment in Berlin der Fall ist. Ländliche Gegenden können froh sein, wenn Sie überhaupt geringen Empfang haben.

 

Auch die Verbreitung und Bedeutung von elektrifizieren und hybriden Antrieben fand Platz bei dem Kongress und dessen Vorträge. Entscheidende Faktoren für den Erfolg der Elektromobilität seien höhere Reichweiten, ein Ausbau der Ladeinfrastruktur, kürzere Ladezeiten sowie der Einsatz der Batterie nach ihrer Anwendung im Auto. An der systemischen Betrachtung arbeitet die Branche gemeinsam. Eine Kundenerwartung an die Elektromobilität bleibt, bezahlbar zu sein und Kostenreduzierende Technologien bleiben damit ein Kernstück der Entwicklung. So soll es in Zukunft wie es bereits in einigen Ländern der Fall ist, an Supermärkten, Tankstellen, Schulen, Parkplätzen oder weiteren Sammelstützpunkten Lademöglichkeiten vorhanden sein, die ein schnelles Laden versprechen.

 

Das Interesse am Thema Cyber Security habe die Veranstalter zwar überrascht, war allerdings seit Anfang an mit eingeplant und so konnten die Besucher auch über dieses Thema spannende Vorträge anhören. Die Herausforderungen und Risiken bezüglich Sicherheit (Safety und Security) und Datenschutz (Privacy) im Fahrzeug sind signifikant. Denn das Auto benötige viel höhere Standards in Bezug auf Safety und Security als Tablets oder Handys. Auf der einen Seite werden durch die voranschreitende Konnektivität von Fahrzeugen neue Anwendungen für den Kunden oder innovative Businessmodelle ermöglicht, auf der anderen Seite macht diese Entwicklung das Fahrzeug auch verwundbar gegenüber Cyberattacken. Anders als das Smartphone ist das Fahrzeug jedoch für seine Nutzer von hoher Sicherheitsrelevanz. Somit haben die Integrität und Sicherheit des Fahrzeugs und Fahrers oberste Priorität und müssen jederzeit garantiert sein.

 

Bei all den neuen Herausforderungen und der damit verbundenen Dynamik werden auch andere Kernthemen der Elektr(on)ik-Entwicklung nicht vernachlässigt. Die diesjährigen Schwerpunkte Bordnetz und Lichttechnik gaben hier interessante Einblicke in neue Methoden und Technologien – auch in diesen Feldern sind weiterhin große Potentiale realisierbar. Ein weiterer wichtiger Baustein ist die Erprobung der Fahrzeugfunktionen, die in dem Schwerpunkt Testing und virtuelle Absicherung thematisiert wird. So ist gerade das hochautomatisierte Fahren ohne neue Ansätze gar nicht mehr hinreichend tief testbar. Viele Themenstränge bedingten sich gegenseitig: Leistungsstarke Domänenrechner im Bereich Infotainment & Instrumentierung, Body und Fahrerassistenz prägen die großen Änderungen in der E/E-Architektur. Hochintegration und Unabhängigkeit zwischen Hard- und Software spielen dabei eine zentrale Rolle. Diese Veränderungen finden nicht nur statt, um Verkabelung und Gewicht zu sparen. Vielmehr werden so die Vorrausetzung für innovative Funktionen geschaffen, die mit herkömmlichen Architekturen kaum abbildbar wären. Die User Experience beispielsweise ist entscheidend dafür, wie neue Funktionen und Technologien bei den Autofahrern angenommen werden. Allein das automatisierte Fahren stellt die Automobilindustrie vor ganz neue Herausforderungen.

 

Mit zunehmender Vernetzung erhalten digitale Assistenten im Fahrzeug Platz. Deren Einbettung in die Mensch-Maschine-Schnittstelle oder die performante Anbindung starker Offboard Ecosysteme mit Regelungen zum Datenaustausch und Methoden für die Security waren ein weitere Trends der ELIV2017.

 

Zu all diesen Inhalten äußerte sich am zweiten Tag der Veranstaltung Günther H. Oetinger, EU-Kommissar für Haushalt und Personal bei der Europäischen Kommission in Brüssel.  Dieser appellierte für einen digitalen Binnenmarkt, damit deutsche Innovationen weiter vorangetrieben werden können. Und zeigte sich positiv gegenüber den Themen 5G in Deutschland, einer digitalen Infrastruktur, der europäischen Zusammenarbeit und sprach sich für einen europäischen digitalen Regelungsbedarf bezüglich der vielen Daten aus, welche durch die Fahrzeuge gesammelt werden. Wobei er im Nachgang verlauten ließ, dass ein „Werteexport wichtiger als der Export der S-Klasse“ sei und spielte dabei auf Populismus in der Welt an, von der sich die Automobilindustrie nicht beeinflussen lassen sollte.

 

Am Ende des Kongressen wurden am zweiten Tag  verschiedene Preise verliehen.

Dabei wurden die besten Referenten, Jungvortragenden und Start-Ups ausgezeichnet.

 

Der Preis für das bestes Start-Up Unternehmen ging an die Firma nauto inc. (entgegengenommen von Frank Bunte und Sridharan Subramanian). Das Jungunternehmen entwickelt moderne Technologien zur Überwachung von selbsfahrenden Autos. Im Teilnehmer Voting wurde Dr. Arne Jachens, Continental Automotive, Als bester Redner für seinen Beitrag zum Thema AR – Head-Up Display ausgezeichnet.

 

Der Auto Electronic Excellence Award für Jungvortragende ging an folgende Teilnehmer: 1. Platz, Karl Martin Fritsch, Mahle; 2. Platz, Hauke Baumgärtel, Hella; 3. Platz, Filiz Akkaya, Porsche 

 

Auch die ELIV 2019 wird wieder, vom 16. -17. Oktober 2019, in Bonn stattfinden.

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