Übergabe der Ergebnisse des HR-Kreises am 29. Juni 2017 im Bundeskanzleramt. V.l.n.r.: Ulrich Weber (Deutsche Bahn AG), Prof. Dr. Henning Kagermann (acatech), Staatsminister Helge Braun (Bundeskanzleramt), Prof. Dr. Dieter Spath (acatech), Dr. Christian P. Illek (Deutsche Telekom AG) und Dr. Joh. Christian Jacobs (Joh. Jacobs
Richtig gestaltet stärkt der digitale Wandel die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und zugleich gute, selbstbestimmte Arbeit. Eine Gruppe von Personalvorständen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und der Jacobs Foundation gegründeten HR-Kreises stellte ihre Vorschläge am 29. Juni im Bundeskanzleramt vor. Kernanliegen sind Freiräume bei der Erprobung neuer Arbeits- und Organisationsformen, die Mitgestaltung der Arbeitswelt durch mündige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Stärkung des lebenslangen Lernens.
Jobkiller oder Jobwunder? Die öffentliche Diskussion über die Folgen der Digitalisierung für die Arbeit bewegt sich zwischen diesen zwei Szenarien. Im HR-Kreis haben Personalvorstände, Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft erörtert, wie Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Sozialpartner und Gesetzgeber neue Arbeitsformen gestalten und attraktive Arbeitsplätze schaffen und sichern können. Staatsminister Helge Braun (Bundeskanzleramt) sagte anlässlich der Übergabe der Ergebnisse im Bundeskanzleramt: „Wir sollten die Chancen der Digitalisierung für Wachstum, Wohlstand und zusätzliche Arbeitsplätze nutzen. Die Arbeitsgruppe hat wertvolle Ideen und Denkanstöße für einen offenen Dialog zur Zukunft der Arbeit vorgelegt.“
Unternehmen bietet die Digitalisierung der Arbeitswelt die Chance, ihre Produktivität, Innovationsfähigkeit und -geschwindigkeit nachhaltig zu steigern, während Beschäftigte ihre Arbeit flexibler und selbstbestimmter gestalten können. Individuelle Arbeitsanforderungen und persönliche Lebensgestaltung lassen sich auf diese Weise viel besser in Einklang bringen. Dafür müssen sich betriebliche Ansätze ebenso wie gesetzliche Regelungen und Verfahren zur Mitbestimmung weiterentwickeln. acatech Präsident Henning Kagermann: „Entscheidend wird sein, dass wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr zutrauen und dass sie als mündige Menschen den Wandel aktiv und selbstbestimmt mitgestalten können.“
Der HR-Kreis konstatiert auch: Es gibt keinen Masterplan zur Gestaltung der digitalen Arbeitswelt. Niemand kann neue Entwicklungen und kreative Ideen antizipieren und passgenaue Regelungen im Voraus treffen. Nach dem Motto „individuelle Freiräume schaffen und begleiten“ wünscht sich der HR-Kreis deshalb eine offene Haltung des Gesetzgebers und der Betriebspartner. Uwe Tigges (Personalvorstand der innogy SE): „Wir brauchen regulatorische Freiräume für Experimentierzonen, in denen wir neue Formen der Arbeit gemeinsam mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erproben.“
Solche Experimentierzonen sind eine Herausforderung für die betriebliche Mitbestimmung: Vor der Erprobung neuer Arbeits- und Organisationsprozesse lassen sich deren Vor- und Nachteile nicht abschließend beurteilen. Ulrich Weber (Vorstand Personal und Recht der Deutschen Bahn AG): „Gerade in Zeiten massiver Veränderungen hat sich Mitbestimmung stets als Erfolgsfaktor erwiesen. In sich verändernden Arbeitswelten bedeutet das: Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen auch Mitbestimmung gemeinsam flexibler gestalten – ohne dass der Kern verloren geht.“
Lebenslanges Lernen ist eine Grundvoraussetzung für den erfolgreichen Aufbruch in die Digitalisierung. Der HR-Kreis schlägt hierzu das Prinzip „geteilte Verantwortung“ vor: Demnach gestalten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Lernprozess – nach ihren jeweiligen Möglichkeiten – verstärkt selbstbestimmt und eigenverantwortlich. Unternehmen schaffen vor allem lernförderliche Arbeitsbedingungen und begleiten die Beschäftigten in ihrem Lernprozess. Christian P. Illek (Personalvorstand der Deutschen Telekom AG): „Das Rüstzeug für die Digitalisierung lässt sich nicht einmal für den Rest der beruflichen Laufbahn erwerben. Wir müssen den Rucksack immer wieder neu packen und brauchen dafür eine passgenaue, auf individuelle Bedarfe ausgerichtete Förderung der Beschäftigten. Diese beruht auf einer vorwärts gerichteten Erfassung von Kompetenzen, die sie für ihre jetzige und künftige Arbeit benötigen.“
acatech und die Jacobs Foundation haben 2014 den Human-Resources-Kreis (HR-Kreis) gegründet. Dort diskutieren Personalvorstände und acatech Mitglieder aus den Bereichen Arbeitswissenschaft, Bildungsforschung, Betriebswirtschaft und Unternehmensorganisation über die Zukunft der Arbeit. Das im April 2016 als acatech IMPULS veröffentlichte Stimmungs- und Meinungsbild des HR-Kreises war ein Weckruf. Er dringt auf eine aktive Gestaltung der Digitalisierung, deren Radikalität und Geschwindigkeit viele Akteure der deutschen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft immer noch unterschätzen. Die nun vorliegende acatech DISKUSSION vertieft drei Aspekte, die die Mitglieder des HR-Kreises für besonders erfolgskritisch halten: die Agilität der Organisation, lebenslanges Lernen und eine zukunftsorientierte betriebliche Mitbestimmung. Mit ihrem Papier möchte die Arbeitsgruppe – unabhängig von partei-, verbands- und gewerkschaftspolitischen Ansätzen – zu einem offenen politischen und gesellschaftlichen Diskurs zur Zukunft der Arbeit beitragen.